Andreas Felger, Gefangene lösen, 1989
Holzdruck auf Papier, 121 x 81 cm, Werke der Barmherzigkeit I © AFKS
Gefangene lösen – Werke der Barmherzigkeit I
1989
Holzdruck auf Papier
120 x 81 cm

Der Holzschnitt-Zyklus von Andreas Felger Werke der Barmherzigkeit bezieht sich inhaltlich auf die Endzeitreden Jesu in Matthäus 25, 34–46, die sich in der katechetischen Tradition der Kirche über die Jahrhunderte als Bestandteil der sieben Werke der Barmherzigkeit etabliert haben.

Andreas Felger hat diesen Zyklus 1989 im Auftrag von Pfarrer Heinz-Günther Gasche, dem Vorstandsvorsitzenden des diakonischen Werks Hessen und Nassau für die Landesgeschäftsstelle in Frankfurt a. M. geschaffen, wo er viele Jahre im Eingangsbereich hing.

In der künstlerischen Auseinandersetzung mit den Sieben Werken der Barmherzigkeit war für Andreas Felger in besonderer Weise das Tun der Barmherzigkeit als „Identifikation mit den Notleidenden“ wichtig, das er in der Technik des Holzschnittes zum Ausdruck bringt. Die vielen schwungvollen Schnittlinien, die in jedem Bild des Zyklus’ mal mehr, mal etwas weniger zu sehen sind, konturieren die dargestellten Personen nicht nur, sondern setzen sie in eine dynamische Beziehung, in welcher Identifikation erkennbar wird. Besonders sichtbar wird das in dem Bild Gefangene lösen, in dem die Fesseln der Gefesselten sich mit den tätigen Armen der Lösenden verbinden und nicht mehr unterscheidbar ist, wer eigentlich gefesselt und wer gelöst wird. Oder im Bild Kranke besuchen, in dem die konturierenden Linien der Bettdecke übergehen in die Konturen der Kleidung des Besuchers. All dies sind Hinweise auf die Identifikation mit den Notleidenden.

Andreas Felger hat sich bei dieser Thematik bewusst für die Technik des Holzschnittes (und nicht für die der Aquarell- oder Ölmalerei) entschieden, weil der Holzschnitt zum einen mit seiner rauen und rissigen Oberflächenstruktur schon auf haptischer Ebene die hier gewählte Thematik aufgreift und unterstreicht, und zum anderen, weil der Holzschnitt keine Korrektur erlaubt. Schnitte müssen sitzen. Was weg ist vom Holz, ist weg, und kann nicht im Nachhinein korrigiert bzw. wieder angebracht werden. Die unwiderrufliche künstlerische Tat korreliert in dieser Hinsicht auch mit der Thematik, denn ein Werk der Barmherzigkeit an einer konkreten Person in einer konkreten Stunde kann ebenso nicht korrigiert werden. Entweder findet das Werk zu gegebener und verantworteter Zeit statt oder es wird versäumt. Ein Nachholen ist nicht mehr möglich.

von Kurt Freitag

Den gesamten Holzschnittzyklus Werke der Barmherzigkeit I – VII können Sie hier sehen.

Kurt Freitag ist ein essayistisch veranlagter Gelegenheitsschreiber gemäß Clarice Lispectors Credo: „Ich schreibe nur, wenn ich Lust dazu habe. Ich bin ein Amateur und bestehe darauf, das auch zu bleiben. Ein Profi hat eine persönliche Verpflichtung zum Schreiben. Oder eine Verpflichtung gegenüber jemand anderem, um zu schreiben. Was mich betrifft … ich bestehe darauf, kein Profi zu sein. Um meine Freiheit zu behalten.“ In diesem Sinne entstehen seine Texte zur Kunst, zum Leben und zu diesem Holzschnittzyklus Werke der Barmherzigkeit.